Angehörige Indigener Völker und deren Unterstützer sind häufig in Lebensgefahr, wenn sie ihre Territorien, ihre Rechte und ihre Lebensweise zu schützen versuchen.
So sind Mitte Juni diesen Jahres im brasilianischen Amazonasgebiet ein früherer hoher Mitarbeiter der brasilianischen Indigenen-Schutzbehörde, Bruno Pereira, und der britische Journalist des GUARDIAN, Dom Philips ermordet aufgefunden worden. Beide hatten zusammen begonnen, gewalttätige Übergriffe krimineller Banden auf die Indigenen der Region des Javari-Flusses, eines Nebenflusses des Amazonas zu dokumentieren – und wurden dabei ermordet.
(siehe auch: https://www.bbc.com/news/world-latin-america-61852963)
Die Menschenrechtsorganistaion Global Witness berichtete 2020, dass der Anteil Indigener an ermordeten Menschen- und Landrechtsverteidigern überproportional hoch ist.
(siehe: https://www.globalwitness.org/en/campaigns/environmental-activists/last-line-defence/);
daran wird sich auch 2021 und im 1. Halbjahr 2022 wenig geändert haben, wie die oben erwähnte Ermordung von Bruno Pereira und Dom Phillips zeigt.
Der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation, da insbesondere die EU-Staaten und die USA Energierohstoffe außerhalb des russischen Einflussbereichs suchen und ausbeuten wollen. (siehe auch: Rundbrief 2022 #1 https://uranium-network.org/2022/07/17/newsletter-1-2022/)
So beabsichtigt die Bundesrepublik, mehr Kohle aus dem umstrittenen El Cerrejon-Bergwerk in Kolumbien zu beziehen [1]. Umstritten, da die Betreiber des Bergwerks ‚unzähliger‘ Menschenrechtsverbrechen / -verstöße beschuldigt werden.[2] Im Jahr 2020 forderte der damalige UN Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, David Boyd, eine Unterbrechung der Arbeit des Bergwerks und besseren Schutz für die Indigenen Wayúu, wie es auch der kolumbianische oberste Gerichtshof gefordert hatte.[3]
Die Bundesrepublik hatte 2021 die ILO-Konvention 169 zum Schutz Indigener Völker ratifiziert, sie wurde am 23. Juni 2022 rechtsverbindlich. Der Import von Kohle aus dem Menschenrechte verletzenden El Cerrejon Kohlebergwerk würde gegen die ILO-Konvention verstoßen.
Die angestrebte Ausweitung des LNG-Imports nach Deutschland ist auch eine Gefahr für ein Indigenes Volk in Kanada, die Mi’kmaq in Kanada: Das in Planung befindliche LNG Terminal auf Nova Scotia wurde ohne die ‚freie, vorherige und informierte Zustimmung‘ der Mi’kmaq genehmigt, wie sie von der UN Deklaration über die Rechte Indigener Völker vorgesehen ist. Import von LNG – einem keineswegs auf umweltfreundliche Weise produziertem Flüssiggas – in die Bundesrepublik würde gegen die UN Deklaration verstoßen.
(siehe dazu auch: Indigene und Flüssiggas: LNG aus Kanada ist nicht grün,
https://taz.de/Indigene-und-Fluessiggas/!5867062/ )
In Kanada wehren sich z.B. die Wet’suwet‘en gegen den Bau der Coastal Gas Link Pipeline, mit der Gas durch ihr Land die Pazifik-Küste gebracht werden soll – für Kunden in Asien. Einerseits geht es um die Respektierung ihrer gerichtlich anerkannten Landrechte – andererseits auch gegen die immer weitere Verwendung des klimaschädlichen fossilen Brennstoffs Gas.
Ein anderer Vorfall illustriert die Bedrohungslage für Indigene in Russland:
Während der diesjährigen Konferenz des UN-Sachverständigenmechanismus für die Rechte indigener Völker (UN Expert Mechanism on the Rights of Indigenous Peoples, EMRIP) im Juli 2022 in Genf nahm der Vertreter der russischen Regierung eine beispiellos undiplomatische Haltung ein, indem er eine Vertreterin indigener Völker Russlands verbal attackierte, die die Verletzung Rechte der Indigenen anprangerte und Achtung ihrer Rechte einforderte; in einem Fall hatten die Indigenen ihr Land für den Kohleabbau aufgeben müssen, in einem anderen Fall für Norilsk Nickel, einem umweltverschmutzenden Unternehmen.
(siehe Statement der Indigenen Vertreterin: https://indigenous-russia.com/archives/22897)
Die russische Regierung blockierte die Webseite Indigenous Russia unmittelbar nach der EMRIP-Sitzung – was allerdings nur für Russland gelang. (https://indigenous-russia.com/archives/22966)
Indigene Frauen sind mit die ersten Opfer: In Kanada und USA sind tausende verschwundener, vergewaltigter und ermordeter indigener Frauen zu beklagen, deren Fälle teilweise seit Jahren verschleppt werden – während die Täter weiterhin frei sind.
Wir verweisen auf die Pressemitteilung von AGIM, Aktionsgruppe Indianer und Menschenrechte, München.
Nähere Informationen siehe Bericht Amnesty International.
Wir fordern die Bundesregierung auf, die ILO-Konvention 169 sowie die UN Deklaration über die Rechte Indigener Völker nach Wort und Geist zu respektieren und mit der Respektierung und Umsetzung der Rechte Indigener Völker ernst zu machen.
Den Industriestaaten stünde es gut an, ihren Energiekonsum zu überdenken, statt ihren immer weiter wachsenden Energieverbrauch mit Selbstverständlichkeit weiter zulasten der Gesundheit und der Rechte anderer Menschen, insbesondere Indigener, durchzudrücken.
8. August 2022
Günter Wippel
MENSCHENRECHTE 3000 e.V., Freiburg
Hintergründe
Im Jahr 1994 war der 9. August von der UNO zum ‚Internationalen Tag der Indigenen Völker der Welt“ ausgerufen worden.
Die UN Deklaration über die Rechte Indigener Völker (UNDRIP) anerkennt die Rechte Indigener Völker; es obliegt den Staaten, diese Rechte zu schützen.
Die ILO-Konvention 169 (ILO Internationale Arbeits-Organisation, ein Teil der UNO) wurde am Juni 2021 von der Bundesrepublik ratifiziert und ist seit dem 23. Juni 2022 für die BRD rechtsverbindlich.
siehe: https://menschenrechte3000.de/fokus/ilo-169, www.ilo169.de
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/bundeskanzler-scholz-telefoniert-mit-dem-kolumbianischen-staatspraesidenten-iv%C3%A1n-duque-m%C3%A1rquez-2024046 https://www.rnd.de/politik/kolumbien-kohle-embargo-gegen-russland-bedroht-menschenleben-XNSRAQYXSRFPHD6EKLYFI3G2QY.html)
[2] https://www.business-humanrights.org/en/latest-news/colombia-biggest-coal-mine-in-latin-america-carbones-de-cerrej%C3%B3n-accused-of-countless-human-rights-violations-against-indigenous-groups/
[3] https://reliefweb.int/report/colombia/un-expert-calls-halt-mining-controversial-colombia-site
2022-Aug-9-Statement-Tag-Indigene-Völker.pdf
AGIM_Pressemitteilung_Internationaler Tag der indigenen Völker 2022.pdf